Analyse der Wahl im Bundesland Bremen
SPD Wahlsieger - Grüne abgestraft - geringe Wahlbeteiligung: Demokratie geschwächt
Die Wahlen im Bundesland Bremen sind gelaufen. Das amtliche Endergebnis steht nun fest, wonach die SPD die Wahl gewonnen hat. Ihr folgt die CDU, die Grünen, die Linke, die Bürger in Wut und die FDP. Was ist von dieser Wahl zu halten? Ist sie eine neue Richtungswahl oder spiegelt sie nur das wieder, was in der repräsentativen Demokratie eingeschliffen hat: CDU und SPD genieren immer noch die meisten Stimmen für sich?
· Ergebnisse im Überblick [1] : Die SPD errang 29,8 % (+4,9 %), die CDU mit 26,2 % (-0,4 %), die Grünen 11,9 % (-5,5 %), die Bürger in Wut (BIW) mit 9,5 % (+7,0%) und die FDP 5,1 % (-0,9 %) der abgegebenen Stimmen. In der Sitzverteilung der neuen Bürgerschaft kommt die SPD auf 27 Sitze, die CDU auf 24 Sitze, die Grünen auf 11 Sitze, die Linke auf 10 Sitze, die BIW auf 10 Sitze und die FDP auf 5 Sitze. Die absolute Mehrheit läge bei 44 Sitzen, da die Bürgerschaft aus 87 Parlamentssitzen besteht. Rein rechnerisch ergäben sich die Möglichkeiten einer großen Koalition aus SPD und CDU (51 Stimmen) oder einer Koalition aus SPD, Grüne und Linke (48 Stimmen). Alle anderen Konstellationen sind entweder rein rechnerisch oder aber aufgrund der zu großen Gegensätze nicht möglich oder extrem unwahrscheinlich. Von den „Kleinstparteien“, die die 5%-Hürde nicht geschafft hatten, ragt nur die Volt-Partei mit 2,0 % hervor, alle anderen Parteien lagen bei etwa 1 % der Stimmen oder darunter und waren damit bedeutungslos.
· AfD und BID : Da die AfD in sich zerstritten war, wurde von zwei Vorständen (Rumpfvorstand um Landesvize Sergej Minich und einen Notvorstand unter Heinrich Löhmann und Frank Magnitz [2] ) auch zwei Wahllisten eingereicht, so dass der Landeswahlausschuss und das Wahlprüfungsgericht sie zu der Wahl nicht zugelassen hatte – da halfen auch keine drei Klagen beim Staatsgerichtshof, der diese sämtlich abgelehnt hatte [3] . Somit ist die AfD in der neuen Bürgerschaft nicht mehr vertreten. Dies begünstigte die ehemalige „Schill-Partei“ (Partei Rechtsstaatliche Offensive [4] ) „Bürger in Wut“, die ihre Stimmenanteile erheblich verbessern konnte und nunmehr in das Parlament einzog. Die BIW hatte die meisten Stimmen in Bremerhaven (22,7 %) geholt. D ies liegt vor allem an der inzwischen maroden Infrastruktur, an der hohen Arbeitslosigkeit, an der mangelnden inneren Sicherheit und an einer mangelnden Perspektive für die Hafenregion. Am meisten profitierte die BIW von den AfD-Wählern, die die Stimme nicht ihrer Partei geben konnten, frustrierten CDU-Wählern und auch der Wählergruppe, die bisher nicht gewählt hatte [5] . Dass die BIW gerne als „rechtspopulistisch“ bezeichnet wird, ist nicht neu, denn ähnlich wurde auch mit der AfD am Anfang verfahren, als jeder Nachrichtensprecher dieses Adjektiv brav aufsagte, bis die Proteste gegen diese Diffamierung doch irgendwann dazu führten, dass dies unterlassen wurde [6] . Ähnlich könnte es der BIW gehen, die nur in Bremen bisher zu einer Landtagswahl antrat, sich aber bundesweit betätigen will, wobei sie mit dem „Bündnis Deutschland“ fusionieren möchte [7] . Diese Partei könnte als eine „AfD-light“ bezeichnet werden, die ihr Wählerpotential in dem konservativen bürgerlichen Milieu enttäuschter CDU-Wähler, aber auch enttäuschter Nichtwähler sieht. Dass sie in Bremen auf Kritik der etablierten Parteien stößt, ist verständlich, da sie sich nach ihrem Wahlprogramm gegen das so genannte „Bremer System“ wendet, durch das trotz zur Schau gestellter Unterschiede eine eingeschworene Gemeinschaft entstanden ist, die Posten und Pfründe untereinander aufteilt [8] . Sie kritisiert vor allem die hohen Kosten die durch den Senat, die Bürgerschaft und die Landesverwaltung entstehen und plädiert deshalb als ersten Schritt für eine Verkleinerung des Parlaments auf 50 Sitze. Außerdem soll durch einen Bürgerentscheid über eine Fusion mit einem anderen Bundesland (Niedersachsen?) entschieden werden können. Sie plädiert für eine Stärkung der inneren Sicherheit, da Bremen hinter Berlin mit 11.200 Straftaten pro 100.000 Einwohner (Deutschland gesamt 6.070) liegt und erhebliche Probleme auf diesem Gebiet hat. Folgerichtig ist auch der Vorschlag für ein härteres Vorgehen der Justiz gegen Kriminelle, weil diese bisher doch recht nachsichtig mit Straftätern umgegangen sei. In der Bildungspolitik will sie eine Rückkehr zum dreigliedrigen Schulsystem, um die Bildungsdefizite, die offensichtlich bestehen (bei bundesweiten Leistungsvergleichen sei Bremen stets auf dem letzten oder vorletzten Platz), zu bekämpfen. Sie plädiert sogar für eine einheitliche Schulkleidung. Die BIW plädiertfür eine stärkere Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (10 %, in Bremerhaven 13 %) und eine Stärkung des Individualverkehrs sowie Abkehr von der Verteufelung des Autoverkehrs. Sollte der Plan einer bundesweiten Ausbreitung in Form einer Partei „Bündnis für Deutschland“ umgesetzt werden, könnte diese Partei eine ernsthafte Gefahr für die AfD werden, weil sie vor allem wert-konservative Wählerschichten anspricht, die von der CDU enttäuscht sind, nicht aber den Mut haben, zur AfD zu wechseln, weil diese ihnen zu rechtsradikal erscheint.
· Grüne abgestraft – aber in Maßen : Die Verluste der Grünen sind weitgehend auf die negativen Schlagzeilen auf Bundesebene um Minister Habeck zurückzuführen [9] . Als erste Folge der Wahlniederlage hat die Spitzenkandidatin Maike Schaefer ihren Rückzug angekündigt [10] . Es ist auch nicht sicher, ob nicht auch die Grünen – ähnlich wie in Berlin – der Verlust einer Regierungsbeteiligung droht, falls die SPD mit der CDU koalieren will. Trotz dieser Stimmenverluste wundert die moderate Talfahrt dennoch, denn die Verärgerung der Bürger über die bevormundende Politik der Grünen ist inzwischen auch in dem Mainstream angekommen. So hatten die Bremer Grünen sich in einem Positionspapier erdreistet, den Bürgern von Bremen vorschreiben zu wollen, wann sie Fleisch oder Gemüse essen sollen [11] . Auch das kostenlose Kurzparken („Brötchentaste“) in Bremen wurde durch die Verkehrssenatorin Maike Schaefer noch im April – aus Klimaschutzgründen – abgeschafft, was die Autofahrer verärgerte [12] . Vor allem die Einzelhändler hatten von der früheren Kurzparkmöglichkeit ihrer Kunden profitiert, was durch das Verbot der „Brötchentaste“ verunmöglicht wurde – sehr zum Leidwesen des lokalen Einzelhandels [13] . Damit haben die Grünen wieder einmal unter Beweis gestellt, wie sehr sie aus ideologischen Gründen an dem Bürger vorbeiregieren. Somit hat die eingeschworene Gemeinschaft der Nutznießer der Grünen sich selbst gewählt, um ihre Machtpositionen und Einflussmöglichkeiten zu erhalten. Das reicht aber nicht, weil dabei die Interessen der Bürger ignoriert werden.
· Kleinstparteien – ohne Gewicht: Die Parteien, die unter der 5-Prozenthürde gelegen haben, verschwinden immer mehr in der Versenkung der politischen Bedeutungslosigkeit. Zu diesen einstigen Hoffnungsträgern gehört z.B. auch die Partei „dieBasis“, die nur 0,8 % der Stimmen erreicht hat. Es reicht eben nicht aus, nur eine Corona-Protest-Partei zu sein. Auch die anderen Parteien hatten keine reale Chance, über 5 % der Stimmen zu erringen. Die Schranke auf 3 % zu senken, scheint angebracht, um die Monopolstellung der etablierten Parteien zu brechen. Dieser Absenkung hat die SPD eine klare Absage erteilt [14] – wohl auch auf dem Hintergrund der Wahlrechtsreform, die die Ampelparteien durchgeboxt haben, welche die Direktwahl von Einzelkandidaten schwächen wird [15] .
· Schwächung der Demokratie : Die Zersplitterung der oppositionellen Kräfte spielt den etablierten Parteien in die Hände. Die geringe Wahlbeteiligung von 56,8 % in Bremen (2019: 64,1 %) spricht für sich. Sie dokumentiert, dass die Bürger sich immer weiter von dem Modell der repräsentativen Demokratie verabschiedet haben, so dass die Wahlen immer mehr zu einer Selbstversorgung der Parteienfunktionäre verkommen und der Wählerwille nur noch am Rande eine Rolle spielt. Grass formuliert: Die Parteien und ihre Anhänger nehmen nicht mehr ihren Grundgesetzauftrag wahr, an der Willensbildung mitzuwirken (Artikel 21 GG [16] ), sondern sie dominieren mit ihrer Willensbildung die Bevölkerung. So werden Bürger und deren Willen aufgrund mangelnder Instrumentarien zur Mitwirkung (Volksbegehren, Abwahlmöglichkeit von Mandats- und Amtsträgern durch Bürger) weitgehend ignoriert. Die Parteien- und Staatsverdrossenheit hat bereits hohe Ausmaße angenommen – aber die etablierten Parteien sehen dies nicht als ein Problem an, weil eine stärkere Bürgerbeteiligung ihre Machtpositionen schwächen würde.
Was von der Bremen-Wahl bleibt ist ein bitterer Nachgeschmack einer sich immer mehr von den Bürgern entfernenden Politik, an der auch die Leitmedien einen großen Anteil haben, die diesen Umstand nicht thematisieren, sind sie doch zu sehr mit dem etablierten Machtapparat liiert. Es ist nur zu hoffen, dass die Bürger endlich aufwachen und sich für die eigenen Belange mehr einsetzen und sich gegen diese Art der Politik wehren.
© beim Verfasser
[2] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/afd-bremen-buergerschaftswahl-kandidaten-liste-ablehnung-100.html
[3] https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/buergerschaftswahl-bremen-afd-endgueltig-nicht-zugelassen-83727676.bild.html
[6] https://www.focus.de/politik/videos/zuschauer-fuehlten-sich-belehrt-tagesschau-will-afd-nicht-mehr-als-rechtspopulistisch-bezeichnen_id_6091892.html
[8] https://biw-bremen.de/ziele/programm ; wörtlich heißt es dort: „Seit mehr als sieben Jahrzehnten wird die Politik in Bremen maßgeblich von der SPD bestimmt. In dieser langen Ära ist in Bremen ein dichtes Netz von Filz, politischen Seilschaften und Vetternwirtschaft entstanden, in das auch die öffentliche Verwaltung, Justiz, Medien, Verbände und Lobbygruppen eingebunden sind. Jeder kennt jeden an der Weser. Man unterstützt sich zum gegenseitigen Vorteil und zur Sicherung von Macht und Einfluss. Auf der politischen Ebene gehören dem „Bremer System“ aber nicht nur die Sozialdemokraten, sondern alle in der Bürgerschaft vertretenen Parteien an. Trotz der nach außen zur Schau getragenen Differenzen bilden sie eine eingeschworene Gemeinschaft, die Posten und Pfründe untereinander aufteilt. Inhaltliche Unterschiede sind kaum noch erkennbar, ihre Parteiprogramme weitgehend austauschbar.“
[9] https://www.merkur.de/politik/bremen-wahl-2023-habeck-trauzeugenaffaeren-stuerzen-gruene-in-den-abgrund-ergebnisse-aktuell-92278605.html
[10] https://www.ndr.de/nachrichten/info/Nach-Bremen-Wahl-Gruenen-Spitzenkandidatin-tritt-zurueck,bremenwahl140.html
[11] https://www.fdp-bremen.de/2022/08/31/gruene-bevormundung-was-die-menschen-essen-sollen-braucht-es-nicht/
[12] https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/klatsche-fuer-die-gruenen-hat-die-broetchentaste-die-bremen-wahl-entschieden-83932164.bild.html
[13] https://www.bild.de/regional/bremen/bremen-aktuell/broetchentaste-weg-haendler-sauer-ueber-aus-fuer-kostenloses-kurz-parken-83732392.bild.html
[15] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-01/wahlrechtsreform-ampel-ueberhangmandat-erik-von-malottki-demokratie?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F
[16] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_21.html : Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.









