Würde des Menschen - Definitionen
positive und negative Definition
1. Positive Definition
1.1 Juristische Definition im Staatsrecht
Staat
Bürger
Nach Art. 1 GG ist es die Aufgabe des Staates, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen. Es ist somit eine universelle Aufgabe aller drei Gewaltarten: Legislative (Gesetzgebung), Exekutive (ausführende Gewalt) und Judikative (rechtssprechende Gewalt). Der Mensch soll dadurch vor dem Übergriff des Staates geschützt werden, d. h. dass es der Würde des Menschen entspricht, wenn der Staat nur dann in die Privatsphäre eingreift, wenn es rechtlich erlaubt ist (es muss ein Gesetz vorhanden sein - Legislative), der Eingriff nicht unverhältnismäßig ist (die angewandten Mittel müssen im angemessenen Verhältnis zum Zweck des Eingriffs stehen - Exekutive) und der Mensch die Möglichkeit hat, sich dagegen zur Wehr zu setzen (jemand kann sich an das Gericht wenden – Judikative).
Beispiel: Jemand wird verhaftet, weil die Polizei (Exekutive) aufgrund einer Gesetzesübertretung glaubt, dass jemand eine Straftat begangen hat (es muss ein Gesetz durch die Legislative geschaffen worden sein) und der Inhaftierte hat die rechtliche Möglichkeit, sich gegen die Inhaftierung rechtlich zur Wehr zu setzen, indem er sich an das Gericht wendet (Judikative).
Daraus abgeleitet werden Rechte des Bürgers gegenüber dem Staat postuliert:
· Sozialstaatsprinzip: Der Staat hat das Existenzminimum der Menschen zu schützen (Art. 20,28 GG).
· Gleichbehandlungsgrundsatz („alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“ ,Art. 3 GG).
· Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG).
· Verbot der Todesstrafe (Art. 102 GG).
· Rechtsstaatsprinzip, keine Verurteilung ohne Gesetz (§ 1 StGB).
· Keine unzulässigen Verhörmethoden der Polizei (§ 136a StGB) wie z. B. Quälerei, Täuschung, Gewalt, Hypnose.
Der Grundsatz staatlichen Handelns sollte sein: Der Mensch darf nicht zum Objekt gemacht, sondern soll als Subjekt angesehen werden.
1.2 Juristische Definition im privaten Recht
Bürger Bürger
Im privaten Recht gibt es keine ausdrückliche Rechtsnorm der Menschenwürde. Man kann sie aber aus dem GG ableiten und es der Rechtsfähigkeit des Menschen, die eintritt mit der Vollendung der Geburt (§ 1 BGB), zuordnen: Die Würde beginnt mit der Vollendung der Geburt und endet auch, wenn die Rechtsfähigkeit endet, mit dem Tod. Die Würde ist somit eine jedem Mensch zukommende Eigenschaft, unabhängig von seiner Rasse, dem Geschlecht, des Alters, der Gesundheit, seiner Leistungsfähigkeit und seiner im Leben erworbenen Stellung in der Gesellschaft. Da das GG über dem BGB steht, gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz auch im BGB. Niemand darf sich darauf berufen, dass ihm aufgrund seiner Stellung eine Sonderbehandlung zusteht. Bürger stehen im bürgerlichen Recht deshalb gleichberechtigt nebeneinander.
Beispiel: Der Arzt steht nicht über dem Patienten, sondern ist Vertragspartner neben ihm. Er hat genauso Rechte und Pflichten wie der Patient auch. Insbesondere muss er das Selbstbestimmungsrecht des Patienten beachten. Wer durch Alter, Behinderung oder Krankheit in seinem Selbstbestimmungsrecht eingeschränkt ist, hat das Recht auf einen Beistand. Das minderjährige Kind wird von seinen Eltern vertreten. Wer durch Krankheit oder Behinderung in seiner Urteilsfähigkeit eingeschränkt ist, kann durch einen Betreuer unterstützt werden.
Jeder muss im Rechtsverkehr den anderen achten als eine Person. Das kommt in besonderer Weise im Vertragsrecht zum Ausdruck.
Beispiel: Jemand wird im Krankenhaus aufgrund einer Krankheit behandelt. Er schließt einen Behandlungsvertrag mit dem Krankenhaus ab. Jeder, der ihn behandelt, hat ihn als Rechtsperson zu achten. Um das früher noch vorhandene Ungleichgewicht auszugleichen (der Arzt stand über dem Patienten) wurden die Paragraphen 630a bis 630h in das BGB eingefügt, die noch einmal deutlich machen, dass der Patient in einem Vertragsverhältnis steht, das ihm das Recht auf umfassende Informationen über Risiken zu ärztlichen Behandlungen einräumt und das Recht auf Einsichtnahme in seine eigene Krankenakte (früher undenkbar) erlaubt. Es gibt kein Recht auf „Zwangsbehandlung“ durch einen Arzt. Es gilt nur die Einschränkung, dass dann jemand im Rahmen des Betreuungsrechts gegen seinen Willen behandelt werden kann, wenn er die Tragweite der Krankheit und die Notwendigkeit der Behandlung nicht erkennt (§ 1904 BGB).
1.3 Juristische Definition im Strafrecht
Die Würde des Menschen wird im Strafrecht dadurch geschützt, dass die Verletzung der Ehre eines Menschen unter Strafe gestellt ist. Unter Ehre versteht man einen „verdienten Achtungsanspruch“, der einer Person zusteht. Sie unterscheidet sich insofern von der Würde, als sie von jemand verdient, d. h. durch ihre Leistung oder besondere Stellung als Mitglied einer Gruppe von Menschen oder Menschheit allgemein erworben wurde. Es geht z. B. einem Rechtsanwalt um seine Ehre, wenn er bestimmte Standards festlegt, wie er im Verkehr mit seinen Mandanten umgeht und welche Verfahrensweisen er praktiziert. Gegen die Ehre eines Deutschen ist z. B. die Beschimpfung mit „Nazi“ gerichtet, weil dies ihn aus seiner Sicht ungerechtfertigt in den Dunstkreis eines negativen Kapitels seines Volkes rückt.
Die mildeste Form der Ehrverletzung ist die Beleidigung, ihr folgt die üble Nachrede bis zur schwersten Form, der Verleumdung. Auch die Ehre eines Verstorbenen ist geschützt in Form der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und der Totenruhe als „postmortales Persönlichkeitsrecht“.
Es gibt mehrere Möglichkeiten der Ehrverletzung:
1. Beleidigung : Beleidigung ist die Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung durch Werturteile in Form von Worten oder Handlungen ( https://www.strafrecht-bundesweit.de/strafrecht-kanzlei-verzeichnis/beleidigung/ ). Die Beleidigung ist somit ein negatives Werturteil über eine bestimmte Person und ist nach § 185 StGB strafbar.
2. Üble Nachrede : Bei der üblen Nachrede kommt es nicht primär auf die Worte sondern auf die Tatsche der Verbreitung von wahrheitswidrigen Tatsachen an, die „nicht erweislich wahr“ sind (es liegen keine Wahrheitsbeweise vor), die den anderen verächtlich machen und in der öffentlichen Meinung herabwürdigen. Sie ist nach § 186 StGB strafbar.
3. Verleumdung : Bei der Verleumdung kommt zu dem Tatbestand der wahrheitswidrigen Verbreitung von Tatsachen, die den anderen in seinem Ansehen herabwürdigen, noch zusätzlich darauf an, dass diese Handlung wider besseres Wissen geschieht, d. h. dass der Verleumder weiß, dass die Tatsachen, die er verbreitet, „erweislich unwahr“ sind. Die Verleumdung ist nach § 187 StGB strafbar.
4. Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener : Die Schutzinteressen gehen sogar hier über den Tod hinaus (postmortales Persönlichkeitsrecht). Nach § 189 StGB ist strafbar, wer das Andenken an den Verstorbenen durch Verleumdung, üble Nachrede oder Beleidigung in grober Weise herabwürdigt. Da der Verstorbene nicht mehr direkt betroffen ist, handelt es sich um ein so genanntes Antragsdelikt, das den Angehörigen zusteht, die sich in ihren Pietätsgefühlen verletzt sehen.
5. Störung der Totenruhe : Hierbei ist nach § 168 StGB unter Strafe gestellt, wer den Körper, Teile eines Körpers oder die Asche aus dem Grab wegnimmt oder daran „beschimpfenden Unfug verübt“. Auch ist die Grabschändung unter Strafe gestellt, wenn durch groben Vandalismus eine Grabstätte zerstört wird.
1.4 Philosophische Definition
Bedingungslose Akzeptanz der inneren Wertvorstellungen eines Individuums und den Grundrechten zu dessen Wahrung ( https://www.wertesysteme.de/w%C3%BCrde/ ).
Bedingungslosigkeit der Akzeptanz bedeutet, dass jedem Menschen geboten ist, die Wertvorstellung des anderen zu achten bzw. nicht zu verachten. Eigene Wertvorstellungen stehen nur in Konkurrenz mit denen des anderen, sie sind nicht per se besser.
Die Würde steht in einem Wertekatalog ganz oben an. Sie ist somit eine Richtschnur für unser Verhalten. Sie verlangt von uns ab:
· Achtung vor dem anderen zu haben ist die Grundvoraussetzung der Wahrung der Würde des anderen. Wer achtsam ist, nimmt den anderen zunächst einmal als selbständiges Subjekt wahr.
· Dem anderen Respekt zu erweisen. Damit drücken wir unsere Wertschätzung dem anderen gegenüber aus.
· Wir sind aufgerufen, den anderen zu schützen, wenn er des Schutzes bedarf (weil er krank, schwach oder hilflos ist).
· Das Selbstbestimmungsrecht des anderen akzeptieren, indem wir dessen Wertvorstellungen nicht verurteilen, auch wenn sie unseren eigenen Vorstellungen widersprechen.
· Beachtung der Privat- und Intimsphäre des anderen.
1.5 Religiöse Definition
Die Würde spielt im christlichen Glauben eine besondere Rolle. Die Würde wird wie ein Geschenk Gottes angesehen, das der Mensch erhält und das er aufgerufen ist zu bewahren. Mit diesem Geschenk gibt Gott den Menschen eine besondere Rolle, die ihn von den anderen Geschöpfen abhebt. Der Mensch strahlt damit etwas Göttliches aus, weil ein Funke des göttlichen Lichts in jedem Mensch zu erkennen ist. Deshalb ist die Aussage von Jesus richtig, wenn er behauptet: „Das, was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Matthäus 25,40). Das Wort „Geringste“ hebt noch einmal heraus, dass es unserer Neigung entspricht, Menschen, die nicht sich in besonderer Weise von anderen durch gesellschaftlichen Rang, Aussehen, Fähigkeiten und Leistungen hervorheben, gering zu schätzen, sie achtlos zu behandeln. Daraus kann man auch die Nächstenliebe ableiten, die gerade denjenigen gegenüber geübt werden soll, die uns eben nicht nahe stehen. Deshalb hat Jesus in seinem Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lukas 10, 25-37) den Samariter als Hilfsbereiten dargestellt, denn Juden und Samaritaner galten als verfeindet. [1] Die Würde im religiösen Sinne gilt allen Menschen in gleicher Weise, weil in jedem Menschen „Gott in einer Miniaturausgabe“ präsent ist. Die Würde gilt aber auch Gott selbst gegenüber. Das wird in den ersten Geboten der 10 Gebote deutlich, in denen die Achtung Gottes hervorgehoben wird. Das Verbot, keine anderen Götter zu verehren, aber sich auch kein Bildnis zu machen und auch den 7.Tag der Woche zu ehren, sind Gebote, die die Würde Gottes selbst betreffen.
2. Negative Definition
Manchmal kann man einen Begriff auch negativ definieren. In diesem Fall wäre die Würdelosigkeit als Antonym zur Würde zu sehen. Menschen können in Situationen geraten, in den sie würdelos behandelt werden. Aus dem Umkehrschluss, dass es besser ist, ein solches würdeloses Verhalten zu unterlassen, könnte man auch den Begriff der Würde ableiten. Würdeloses Verhalten wird dann umso wahrscheinlicher, je abhängiger die Position ist, in die jemand gerät. Es entsteht eine Schieflage in der Beziehung der Person, die in einer Machtposition steht (Polizist, Lehrer, Arzt, Pfleger) zu derjenigen Person, die weniger oder gar keine Macht hat (Sträfling, Schüler, Patient, Pflegebedürftiger). Diese Asymmetrie verführt den Mächtigeren dazu, die Macht zu missbrauchen und den Machtloseren dazu, sich devot zu verhalten, um Nachteilen zu entgehen, die bei Nichtbeachtung der Machtposition des anderen entstehen.
Was ist aber ein würdeloses Verhalten. Ich denke, dass es mehrere Merkmale hierfür gibt:
· Nichtbeachtung der Schutzgrenzen des anderen . Jeder Mensch hat um sich herum sichtbare (Wände, Türen, Kleidung) und unsichtbare (ideell vorhandene) Sphären, die ihn nach außen hin abgrenzen und vor Übergriffen schützen. Da ist zunächst einmal die Privatsphäre. Die Privatsphäre ist der nicht-öffentliche Raum, den jeder für sich beansprucht, um sich frei entfalten zu können. Das Eindringen in diesen Bereich ist z. B. der Einbruch in eine Wohnung (durchs Privatpersonen) oder durch die Polizei (staatliche Gewalt), wenn der Verdacht einer Straftat besteht; aber auch das Eintreten in einen Raum ohne sich vorher (z. B. durch „Anklopfen“) bemerkbar zu machen. Die Intimsphäre ist noch einmal ein engerer Bereich, denn er betrifft die innersten Gedanken und Gefühle, die jemand hat, und der Sexualbereich. Diese Bereiche werden z. B. dann verletzt, wenn anvertraute Gedanken und Gefühle öffentlich gemacht werden, ohne dass ein Einverständnis besteht oder die Schamgefühle verletzt werden. Diese Schamgefühle können sehr leicht verletzt werden, indem man verlangt, jemand möge sich vor anderen ausziehen. Auch die körperliche Untersuchung ohne Einwilligung ist eine Verletzung der Würde des anderen. Das nackte Zurschaustellen ist eine besondere Art der Schutzverletzung. [2]
· Geringschätzung des anderen . Wer den anderen spüren lässt, dass er ihn als geringwertig einschätzt durch Gestik (z. B. wegwerfende Handbewegung) und Mimik (z. B. „Naserümpfen“) oder durch Worte („ach was willst du schon wieder“, „du hast ja keine Ahnung“), der behandelt ihn ehrlos.
· Verachtung des anderen. Wer andere nicht beachtet, geflissentlich übersieht, behandelt ihn ehrlos. Die mangelnde Achtung ist die mildeste Form der Verachtung, weil so getan wird, als ob der andere gar nicht existiert. Die Verachtung ist eine Verschärfung der Missachtung der Würde in einer aktiven Form. Hier wird absichtlich jemand anderes lächerlich gemacht, bloß gestellt, indem man seine (vermeintlichen) Fehler öffentlich macht. Das kann z. B. in einer Gruppe sehr schnell passieren, indem jemand, der nicht die Gruppenmeinung vertritt, zum Außenseiter gemacht wird, indem sein Anderssein oder seine andere Meinung als Schwäche oder Makel dargestellt werden. Es geschieht heute auch virtuell im Internet in den sozialen Netzwerken.
· Jemand zum Objekt machen. Hier wird so getan, als ob der andere gar kein Mensch ist, der eine Persönlichkeit hat, sondern das Mitglied einer Gruppe von Menschen oder ein Objekt. Im Krankenhaus kann das z. B. passieren, wenn der Arzt von einem Patienten nur in Form der Diagnose spricht („was macht unser Blinddarm“) und nicht mit seinem Namen. Auch die Ansprache eines alten Menschen mit „Oma“ ist eine Objektivierung, weil hier jemand nicht als konkrete Person angeredet wird, sondern nur in seiner Verwandtschaftsbezeichnung. In früheren Zeiten der Willkürherrschaft wurden Menschen „Schandmasken“ übergezogen, um ihre angeblichen Missetaten zu demonstrieren. Sie wurden damit auch zum Objekt gemacht.
· Demütigung des anderen. Die Demütigung geschieht dadurch, dass jemand gezwungen wird demütig zu sein. Jesus zeigte sich demütig, in dem er seinen Jüngern die Füße wusch (Johannes 13, 5). Wenn aber jemand gezwungen wird, die Füße eines anderen zu waschen, ist das eine Demütigung. Bei der Demütigung wird damit versucht, dem anderen seine Selbstachtung zu rauben, indem man von ihm demütigende Handlungen verlangt oder ihn in verächtlicher Weise darstellt.
Links:
https://www.juraforum.de/lexikon/menschenwuerde
https://de.wikipedia.org/wikiiW%C3%BCrde
https://de.wikipedia.org/wiki/Privatsph%C3%A4re
https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cble_Nachrede_(Deutschland)
https://de.wikipedia.org/wiki/Verunglimpfung_des_Andenkens_Verstorbener
https://de.wikipedia.org/wiki/Postmortales_Pers%C3%B6nlichkeitsrecht
[1] Der Hass der Volksstämme geht auf die Zeit von König Salomo zurück, dessen Reich um 900 v. Chr. in das nördliche Israel und das südliche Judäa aufgeteilt wurde. Da die Hauptstadt Israels Samaria war, wurden die Bewohner des Nordreiches Samaritaner genannt. Durch Vermischung der Bevölkerung mit eingedrungen Fremdvölker assyrischer Herrscher wurden sie bald deshalb von den Juden – Bewohner des Südreiches – gehasst. http://www.bibelentdeckungen.de/artikel/jesus-und-die-aussenseiter-teil-5/
[2] Im römischen Reich wurden die Gekreuzigten nackt am Kreuz befestigt, um sie zu demütigen – auch Jesus!









