Der strukturierte Mensch
Ordnung ist das halbe Leben - Struktur ist mehr als Ordnung - Diabolos als Chaos stiftender Verführer
Als Sozialarbeiter hatte ich immer wieder mit Menschen zu tun, deren Leben chaotisch gelaufen war, weil ihnen etwas fehlte, was für die Steuerung, für die Ordnung unerlässlich ist: Struktur. Im Fürsorgejargon nannte man es „Verwahrlosung“, wenn die innere Unordnung der äußeren entsprach und nur noch drastische Maßnahmen halfen, diesen Personen zu helfen. Der „strukturierte Mensch“ scheint das genaue Gegenteil des chaotischen oder unordentlichen Menschen zu sein. Wer oder was ist aber der strukturierte Mensch?
· Ordnung ist das halbe Leben: Wer Ordnung hat, ist nur zu faul zum Suchen, sagt ein altes Sprichwort [1]. Ordnung könnte man auch so definieren, dass sie nämlich die Fähigkeit ist, alles so zu sortieren, dass man weiß wo was ist. Ich unterscheide zwischen „systematischer“ und „ästhetischer Ordnung“. Wer systematisch Ordnung hält, hat ein System, nach dem alles so abgelegt oder sortiert ist, dass eben alles auf Anhieb auffindbar ist. Dabei ist es unerheblich, ob diese Ordnung auch tatsächlich schön aussieht [2]. Wer nach ästhetischen Gesichtspunkten Ordnung halten will, der möchte dann im Gegensatz hierzu erreichen, dass der äußere Schein gewahrt bleibt, also äußerlich erkennbar ist, dass es eine Ordnung gibt. Diese äußerlich erkennbare Ordnung muss aber nicht direkt auf eine innere Ordnung schließen lassen [3]. Die äußere und innere Ordnung müssen sich eben nicht immer entsprechen, obwohl viel dafür spricht, dass es i. d. R. so ist. Wer in seinen Gedanken oder in seinem Gefühlsleben in eine Art Unordnung gerät, wird dies auch nach außen durch unsaubere Kleidung oder mangelnde Hygiene zeigen. Ein psychisch kranker Mensch, dessen Seelenleben in Unordnung geraten ist, wird auch nicht mehr auf sein äußeres Erscheinungsbild achten, wird dazu neigen, auch in seinen Unterlagen über seine persönlichen Verhältnisse den Überblick zu verlieren.
· Struktur – mehr als nur Ordnung : Struktur zu haben heißt, dass zu der Ordnung noch etwas anderes hinzukommt, was über das pure Ordnunghalten hinausgeht. Struktur bedeutet Klarheit und Übersicht in einem. Es wird in einer Struktur die Ordnung sichtbar gemacht und in der Übersicht durch eine Art graphische Darstellung die Ordnung vor unserem physischen Auge aufgezeigt. Das Organigramm [4] vereint diese beiden Merkmale einer äußeren Struktur, weil hiermit die Zuständigkeiten z. B. in einem Betrieb für einen Außenstehenden sichtbar werden. Struktur bedeutet in unserem Alltag eine Hilfe zur Orientierung, damit man nicht den Überblick verliert und klar erkennt, was wichtig oder unwichtig ist. In einer Mediation ist die Sichtbarkeit der vorgetragenen Aspekte des eigenen Standpunktes für die Kontrahenten eines Konfliktes unverzichtbar, was etwa durch an eine Pinnwand angeheftete Blattstreifen mit den wichtigsten Begriffen der vorgetragenen Standpunkte geschehen kann. Der Tagesablauf erfordert eine Struktur (Tagesstruktur), die z. B. bei Menschen verloren gehen kann, wenn sie arbeitslos werden. Diese Struktur verhilft uns zu unterscheiden, wann eine aktive Phase des Arbeitens angesagt ist oder wann Ruhepausen notwendig sind. Der Tag-Nacht-Rhythmus kann durcheinander geraten bei Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder einem Menschen mit einer Demenz. Die notwendigen Hilfen bestehen dann in dem Setzen von äußerlich erkennbaren Anreizen, diese Struktur wieder herzustellen. Ohne diese Struktur werden wir planlos herumirren und wir verlieren das Ziel für unsere Handlungen aus dem Blickfeld. Gleichzeitig wird neben dem Zielverlust auch die Planungssicherheit verloren gehen und damit ein chaotisches Wirrwarr von Vorgehensweisen sichtbar, die zu nichts führen außer planlosem Experimentieren. Der strukturierte Mensch ist stets Herr des Geschehens, weil er in seinen Zielvorstellungen klar ist, er aber auch Methoden beherrscht, nach den gesetzten Zielen vorzugehen, um diese zu erreichen.
· Diabolos, der teuflische Verführer : Es gibt auch eine Bezeichnung für die geistige Dimension des Unruhestifters: Diabolos. Der Diabolos (aus dem Altgriechischen: Διάβολος Diábolos: „Durcheinanderwerfer “ [5] ) ist der Unruhstifter, derjenige, der alles verdreht, sodass nicht nur die Welt in Unordnung gerät, sondern auch die Sichtweise sich verändert. Die Wahrheit wird dann zur Lüge und die Lüge zur Wahrheit erklärt. Das Gute wird schlecht gemacht und das Böse als gut erklärt. Es wird dann behauptet, dass das Gute ohne das Böse gar nicht vorstellbar sei, sodass es deshalb unverzichtbar wäre. Die diabolische Verführung besteht im Wesentlichen eben darin, dass das Böse als das „notwendige Übel“ bezeichnet wird, weil sonst das Gute gar nicht existieren könne [6]. Jesus hatte den Teufel oder Satan als den Vater der Lüge bezeichnet (Johannes 8,44 [7] ), als denjenigen, der die göttliche Ordnung nicht nur infrage stelle, sondern diese auch zerstören wolle. Die Rebellion gegen Gott ist das wesentliche Merkmal seines Wollen und Tuns. Die Auflehnung gegen Gott gilt als die Abkehr und Verleugnung seiner Vorherrschaft durch den eigenen Anspruch, selbst Gott sein zu können. Anstelle der göttlichen Ordnung soll eine andere Ordnung treten, die angeblich besser ist. Die Welt wird als ein Schauplatz angesehen, der dazu dient, eine angeblich bessere Welt zu kreieren, auf der nach eigenen Maßstäben gehandelt wird, die sich gegen die Werte und Normen richten, die von Gott gewollt sind. Die Welt wird stets als verbesserungswürdig erklärt und jede Art von Veränderung als etwas angesehen, was auf selbst entwickelten Wertvorstellungen beruhen soll, was gern als „Selbstverwirklichung“ bezeichnet wird. Dabei ist klar, dass die materielle Welt eine ist, die dem Satan übereignet wurde und somit als ein Schauplatz angesehen werden sollte, den es zu überwinden gilt, denn sie kann prinzipiell gesehen nicht verbessert werden [8]. Die Einsicht der Weltübereignung an Satan geht aus der Versuchung von Jesus hervor, in der Satan Jesus die materiellen Reiche anbieten wollte, wenn er nur als Gegenleistung ihn als Herrscher verehren würde (denn wie konnte er diese ihm anbieten, wenn sie ihm nicht gehörte). Deshalb kann eigentlich die Welt nicht verbessert werden, weil sie von Anfang an als das Reich Satans angesehen werden kann, da er dort hin nach seiner himmlischen Rebellion hinabgeworfen wurde (Johannes 12,9 [9] ). Deshalb ist diabolische Dimension der satanischen Verführung darin bestehend, dem Menschen glauben zu machen, dass er in der Welt sei, um diese zu beherrschen und sie nach eigenen Maßstäben verändern zu können. Die diabolische Verführung besteht in der Verdrehung all dessen, was uns eigentlich heilig sein sollte: Die Wahrheit, das Gute und das Schöne [10]. Wir sollen die Lüge als ein notwendiges Mittel akzeptieren, um angeblich lautere Ziele zu erreichen. Wir sollen das Gute als relativ und veränderbar ansehen, weil es das Gute eigentlich gar nicht gäbe, sondern nur die Notwendigkeit (Utilitarismus). Und das Schöne wird als etwas angesehen, das eigentlich nicht schön sei, weil es nur eine Variante einer unendlichen Definition dessen angesehen wird, was uns als äußeres Erscheinungsbild entgegenschlägt. Danach wären die Hyänen, die Schlangen, die Fliegen und Schaben auch „schön“, aber eben aus der Sicht dieser Kreaturen. Der "strukturierte Mensch" wird dies nicht so akzeptieren, weil sich in ihm die feste Überzeugung festgesetzt hat, dass es eine von Gott gewollte Ordnung gibt, in der alles seinen Platz hat, alles einen Sinn ergibt und deshalb im Prinzip gut ist. Struktur ist für ihn das Gegenteil dessen, was der satanischen Verführung entspricht, dass nämlich alles relativ sei und deshalb das Chaos der Normalzustand ist.
· Freiheit – trotz Ordnung: Die Ordnung mit einer festen, unnachgiebigen Struktur, hat aber auch eine Kehrseite, dann nämlich, wenn sie übertrieben wird. Schulz von Thun, der „Erfinder des Wertequadrates“ [11] , hatte in seiner gedanklichen Schöpfung dem positiven Wert stets auf der gleichen Ebene den polaren Gegensatz gegenübergestellt und in seiner negativen Übertreibung den „Unwert“ präsentiert, der auf der „unteren Ebene“ – auch graphisch so dargestellt – ähnelt, aber aufgrund seiner Überakzentuierung nicht mehr positiv wirkt. Wir wissen es aus eigener Erfahrung: Wenn etwas zu stark geordnet wird, dann gerät es zum Gefängnis, zu einem starren Gerüst, das in sich die Gefahr des Zerberstens birgt. Jede Konstruktion bedarf eines gewissen „Spielraumes“, damit sie nicht aus den Fugen gerät, wenn äußere Kräfte darauf wirken. Das trifft auf technische Konstruktionen wie Brücken und Gebäude zu, bei denen zwischen den einzelnen Bestandteil diese bewusste Lücke gelassen wird [12]. Das könnte im übertragenen Sinne auch für menschliche Gesetze gelten, die, wenn sie funktionieren sollen, einen gewissen Ermessens-Spielraum brauchen, damit nicht die Gerechtigkeit auf der Strecke bleibt. Selbst die „Zehn Gebote“ beinhalten solche Spielräume, weil sie als „Soll-Vorschriften“ gedacht sind („Du sollst nicht….“) [13]. Das Töten eines Menschen ist demnach erlaubt, wenn eine Notsituation dies erfordert (Notwehr, Sturz eines Tyrannen), das Lügen ist erlaubt, wenn damit etwas geschützt werden soll, das einen so hohen Wert genießt, dass eine sklavische Befolgung, nicht lügen zu dürfen, einen großen Schaden anrichten würde (Schutz eines Menschen vor einer ungerechten Behandlung oder Verfolgung durch ein unmenschliches Regime). Der strukturellen Ordnung steht als Gegenpol die ordentliche Variabilität gegenüber, weil diese notwendig ist, um sklavische Prinzipienreiterei zu vermeiden oder einer pedantische Überregulierung Einhalt zu gebieten, indem durch eine „Gesetzeslawine“ die individuellen Freiräume über Gebühr eingeengt werden. Wird die Variabilität übertrieben, dann landet diese in der willkürlich anmutenden Beliebigkeit, wenn es sich um moralische Fragen handelt oder es entsteht eine chaotische Unordnung, wenn es sich um andere menschliche Konstrukte handelt.
| strukturelle Ordnung |
ordentliche Variabilität |
| Pedantische Überregulierung, Prinzipienreiterei |
Chaotische Unordnung, launige Beliebigkeit |
Strukturelle Ordnung im Wertequadrat
· Das Verhältnis zum „radikalen oder spirituellen Menschen“
Bereits in anderen Artikeln bin ich in der Typisierung des „radikalen Menschen“ oder eines Menschen, der sich auf dem „spirituellen Weg“ befindet, der Frage nachgegangen, wie der Mensch idealtypisch sein sollte, um sich positiv weiterzuentwickeln. Es scheint, dass der „strukturierte Mensch“ gewisse Überschneidungen mit den anderen Typisierungen aufweist. Der gemeinsame Nenner könnte sein, dass allen drei Typen eine bewusste Steuerung innewohnt, das Leben nicht nur als eine Abfolge von Zufällen zu sehen. Die Sinnfrage schwingt hierbei immer mit, wobei der Frage nach dem Woher und dem Wohin ein hohes Gewicht zugebilligt wird. Während der „radikale Mensch“ sein Augenmerk auf die Wurzeln allen Seins gerichtet hat und er sich von der Frage leiten lassen will, ob ein Abweichen seines Weges mit seinen Prinzipien vereinbar ist, richtet der „spirituelle Mensch“ seine Aufmerksamkeit auf die geistigen Wurzeln der Seinsfragen. Der „strukturierte Mensch“ will dem Chaos eines von Launen und Zufällen des Weltgeschehens gesteuerten Lebens entkommen und zumindest versuchen, seinem Leben eine Struktur zu geben, die von selbst gesteckten Zielen gebildet wird. Strukturen brauchen eine geistige Grundlage, weil es die Ideen sind, die diese bilden, darin liegt die Brücke zum „strukturierten Menschen". Wie weit diese Ideen in der Realität dann zur Verwirklichung kommen, liegt beim „radikalen Menschen“ an dessen innerer Gesinnung und Standfestigkeit. Diese Standfestigkeit können am besten in Krisen bewiesen werden [14]. Allen drei Typen liegt auch als einem gemeinsamen Nenner die Überzeugung inne, dass es über die eigene Person hinausgehende Bezugspunkte geben muss, die der Welt eine Struktur geben, die auf geistige Prinzipien zurückgehen, die in ihrer Radikalität eigentlich ernst genommen werden sollen, um nicht im Chaos einer völlig sinnlosen Welt unterzugehen. Alle Versuche der Menschen, hier zu einer Art „Selbstdefinition“ zu gelangen, können getrost als gescheitert angesehen werden, weil diese meistens von egoistischen Motiven geprägt sind. Wer nicht an einen Gott glaubt, der uns in dieser Frage helfend zur Seite steht, aber den Menschen das Geschenk der Entscheidungsfreiheit lässt, erschafft sich Götzen, die diese Lücke füllen sollen, was regelmäßig in diktatorische Systeme führt, in denen diesen Götzen alles geopfert wird [15].
©beim Verfasser
Ich hatte in der Zeit meiner Berufstätigkeit eine Betreuung über einen „Messie“ übernommen, der in einer völlig chaotisch anmutenden Wohnung lebte, deren Flure und Wände mit allen möglichen Gegenständen gefüllt waren. Umso mehr wunderte ich mich, als ich nach einem bestimmten Dokument fragte und ich völlig überzeugt war, dass er dieses bestimmt nicht beibringen könnte, er das Stück Papier aber zielsicher aus einem „Haufen Müll“ herausholte und es mir gab.
[3] Mein Vater erzählte einmal von einem Beamten im Gericht, der in der Vollstreckungsabteilung arbeitete und sich die Beschwerden häuften, dass bestimmte Aufträge von Gläubigern unbearbeitet geblieben waren, bis eines Tages herauskam, dass dieser zwar äußerlich immer einen aufgeräumten Schreibtisch hatte - was irrtümlich darauf schließen ließ, dass dieser Beamte auch tatsächlich in seiner Arbeit zuverlässig war -, aber bei einem Öffnen des Schreibtisches alle unerledigten Akten zutage traten.
[9] Und es ward ausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt der Teufel und Satanas, der die ganze Welt verführt, und ward geworfen auf die Erde, und seine Engel wurden auch dahin geworfen. https://www.biblegateway.com/passage/?search=Offenbarung%2012%3A7-12&version=LUTH1545
[12] Beim Gleisbau wird z. B. zwischen den einzelnen Schienensträngen immer ein kleiner Abstand gelassen, damit durch Temperaturänderungen die Gefahr durch das Zusammendrücken bei etwa zu großer Hitze minimiert wird.
[13] Siehe „Sind die 10 Gebote heute noch gültig“; https://www.guentherbirkenstock.de/neue-seite
[15] Die Partei der Grünen haben einen solchen Götzen geschaffen, dem alles untergeordnet wird: Klimawandel. Ihm soll dann sklavisch alles andere geopfert werden: Wohlstand, individuelle Freiheit, Selbstbestimmungsrecht durch einen bevormundenden Staat.









