Ehre wem Ehre gebührt?!
Anerkennung als normales Bedürfnis und als Sucht - Prädestination für Ehrungen - öffentlicher Dienst bevorzugt
Während meiner Tätigkeit beim Roten Kreuz hatte ich es stets als eine aus meiner Sicht zwielichtige Sache empfunden, wenn langjährige Mitglieder des Vereins, Menschen, die zum 50. Mal Blut gespendet hatten oder auch Vorstandmitglieder für ihre langjährige Tätigkeit im Vorstand Abzeichen und Urkunden – umrahmt in einer kleinen Feierstunde mit Presseleuten - überreicht bekamen. Woher kommt es, dass Menschen so viel Wert darauf legen, Ehrenurkunden, Abzeichen oder Orden verliehen zu bekommen? Wer ist prädestiniert für solche Auszeichnungen? Erhalten wirklich „die richtigen“ Personen die Ehre, die ihnen gebührt?
Anerkennung als normales Bedürfnis: Es gilt als allgemein akzeptiert, dass Menschen für ihre Leistungen Anerkennung erhalten. Diese Anerkennung stellt in dem Grundbedürfniskatalog (ZASAS-Regel [1] ) einen Eckpfeiler dar, der dazu dient, sie zu festigen in dem, was sie tun, indem sie ein positives Feedback erhalten. Lernpsychologisch stellt die Anerkennung eine positive Verstärkung dar, die die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ein belobigtes Verhalten häufiger auftritt [2] . In der Berufswelt gilt die Anerkennung dadurch als gegeben, indem jemand für seine Tätigkeit einen Lohn erhält. Wer etwas leistet, was über das übliche Maß dessen liegt, was jemand in seinen Beruf üblicherweise tut, hat die Chance, hierfür in besonderer Weise belobigt zu werden durch eine Auszeichnung.
Anerkennung als Sucht : Diese berechtigte Freude über eine außergewöhnliche Hervorhebung der eigenen Person hat aber in ihrer Übertreibung eine Kehrseite: Sie führt zu einer Gier nach Anerkennung, die suchtartige Züge annehmen kann. Hierfür gibt es einige Indizien:
· „Opferbereitschaft“ : Manche Menschen brauchen Ehrungen, um sich erst so richtig wohl zu fühlen, um ihr Selbstwertgefühl zu steigern, sie rackern sich ab, schuften über das gesunde Maß hinaus, drangsalieren ihren Körper (z. B. Leichtathleten, die z. B. für eine Medaille bei einer Olympiade trainieren), um irgendwann auf einem Podest zu stehen und eine Goldmedaille angehängt zu bekommen. Wehe, wenn es dann nur eine Silbermedaille ist – dann ist die Enttäuschung riesengroß. Der Suchtcharakter drückt sich in der „Opferbereitschaft“ aus, für die Erfüllung des Wunsches nach einer Auszeichnung alles zu geben: Gesundheit (nächtelange Arbeitszeiten zur Bewältigung von Aktenbergen bei unendlichen Kaffees und Zigaretten oder Strapazieren von Muskeln und Gelenken, bis diese ruiniert werden), Freundschaften (die Freunde werden als Mitkonkurrenten und damit als Feinde gesehen, deshalb gehen sie zu Bruch) oder Verzicht auf ein geruhsames Privatleben (Erholung bei gemütlichen Treffen mit Familie und Freunden, Muse zur Pflege eines Hobbys). Diese „Opferbereitschaft“ ist – deshalb ist sie in Anführungszeichen gesetzt – nicht mit der Bereitschaft zu verwechseln, für andere Opfer im Sinne eines Verzichts aufbringen, um einem Menschen in der Not beizustehen, ohne hierfür etwas zu verlangen.
· Nicht aufhören können : Ein weiteres Indiz für den Suchtcharakter ist das „Nicht-aufhören-Können“. Viele Stars, die einmal ganz oben waren, können nicht rechtzeitig von der Bühne abtreten, sondern machen weiter, bis sie vielleicht einmal ausgepfiffen werden. Politiker, die einmal Macht genossen haben, können auch nicht davon ablassen, sondern kleben nicht nur aus finanziellen Interessen an ihren Sesseln, sondern sie lieben und genießen die öffentliche Aufmerksamkeit, bis sie irgendwann durch eine Wahlniederlage „aus dem Amt gejagt“ werden.
· Dosissteigerung : Ein einmal errungener Erfolg reicht nicht aus. Es genügt nicht, die Anerkennung für eine Leistung nur einmal zu erfahren, sondern danach steigt das Bedürfnis nach weiteren Auszeichnungen, die möglichst auch höherwertig sein müssen. Denn nach jeder Auszeichnung gibt es ein Loch, in das diejenigen fallen, die die öffentliche Belobigung brauchen, um ihr Selbstwertgefühl zu stabilisieren. Dieses Loch kann für sie nur überwunden werden, wenn sie die Chance sehen auf eine neue Aufwertung der eigenen Person durch weitere Ehrungen.
Prädestination für Ehrung: Unsere Erfahrungen sagen uns, dass nicht jeder die Ehrung erhält, die ihm gebühren müsste. Vielmehr scheint es so zu sein, dass oftmals ganz andere Personen eine Ehrung erhalten, von denen wir nicht überzeugt sind, dass sie es verdient haben. Welche Faktoren spielen eine Rolle?
· Systemtreue: Die Treue zum System, dem jemand dient, ist eine Grundvoraussetzung für eine öffentliche Ehrung. Dies wurde z. B. deutlich, als der Bundespräsident diejenigen Polizisten ehrte, die im August 2020 das Parlament vor der „Erstürmung“ durch wütende Protestierende schützte, während im Plenarsaal über Corona-Maßnahmen debattiert wurde [3] . Diese Polizisten waren in den Augen des Bundespräsidenten deshalb zu belobigen, weil sie die Parlamentarier vor dem „wütenden Mob“ geschützt haben. Sie verteidigten damit die Institution des Parlaments als eine Einrichtung der so genannten „repräsentativen Demokratie“ [4] . Die Systemtreue von Angela Merkel ist wohl evident: Sie diente dem Erhalt ihres eigenen Systems, das auf Machterhalt ausgerichtet war [5] . Dieses System war eingebettet in das größere System des „westlichen Bündnisses“ mit den USA als „Schutzmacht“, in dem Deutschland als treuer Vasall gesehen wird, den Anspruch der Vereinigten Staaten als Hegemonialmacht zu stärken. Sie besonders im April 2023 mit dem „Großkreuz des Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland“ zu ehren war sicher dem Bundespräsidenten eine besondere Freude [6] , hatten Frank-Walter Steinmeier und sie sich doch beide stets gegenseitig in ihrem politischer Karriere unterstützt und damit dem politischen System gedient. Die DDR hatte ein „ausgezeichnetes System“, um Menschen an das System zu binden, indem fast jeder Bürger irgendwann einen Orden bekommen hatte. Am Ende der DDR hatten sich die Mitglieder des SED-Regimes gegenseitig mit Orden überhäuft, um das System zu stützen – es hatte ihnen doch nicht geholfen. [7] Wie sich doch die Bilder gleichen.
· Öffentliche Aufmerksamkeit: Die öffentliche Aufmerksamkeit ist eine notwendige Bedingung für eine Ehrung. Wenn etwas im Verborgenen passiert, kann es zu keiner Ehrung kommen, weil es schlichtweg niemand erfährt. Ich dachte, als es mir früher als Schuldnerberater gelungen war, einen guten Vergleich zwischen Schuldnern und Gläubigern hinzubekommen, dass dann die Fanfaren ertönen müssten. Aber es geschah leider gar nichts, obwohl es zur Freude aller Beteiligter Grund genug gegeben hätte, aber es wurde eben nicht öffentlich bekannt. Spektakuläre Einsätze von Feuerwehrleuten, mutige Rettungstaten von Ersthelfern an Unfallstellen und ähnliche Aktionen werden öffentlich bekannt und erregen dadurch Aufmerksamkeit. Die Tätigkeit einer Altenpflegerin in einem Altenheim, bei der sie sich ihren Rücken ruiniert, erregt in der Öffentlichkeit kein Aufsehen und bleibt deshalb unerwähnt in irgendwelchen Zeitungen –und folgerichtig gibt es auch keine Ehrung.
· Öffentlicher Dienst begünstigt: Wer ein öffentliches Amt ausübt, der kommt eher in den Genuss einer öffentlichen Ehrung. Wer es schafft, in einen Gemeinderat oder in ein Landes- oder Bundesparlament gewählt zu werden und sich dort eine geraume Zeit aufhält, hat gute Chancen, einen Verdienstorden zu erhalten. Ein Bundespräsident bekommt schon „automatisch“ ein „Großkreuz“ verliehen, sogar bereits beim Amtsantritt [8] - nur für was eigentlich? Es ist auffällig, dass vorzugsweise Personen, die im öffentlichen Dienst waren (Politiker, politische Beamte, u. ä. – aber auch Kirchenobere wie z. B. Bischöfe) große Chancen haben, ein Bundesverdienstkreuz zu erhalten [9] . Warum werden diese Personen bevorzugt? Man kennt sich eben schon sehr lange und klopft sich gerne gegenseitig auf die Schultern bzw. behängt sich gerne mit allen möglichen Auszeichnungen, um sich gegenseitig zu stützen. Ist das korrekt? Natürlich nicht, aber wen stört es schon – und die Presseleute wollen auch mal wieder schöne Bilder von strahlenden Politikergesichtern zeigen.
· Ehrung als politisches Kalkül? Warum erhalten eigentlich diejenigen eine Ehrung, eine Auszeichnung, bei denen zumindest die Bevölkerung vielleicht eine andere Meinung haben könnte – aber wird diese überhaupt gefragt? Warum bekam eine Annalena Baerbock eigentlich den „Orden wider den tierischen Ernst“? [10] Dieser Orden sieht vor, dass Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens geehrt werden, die Individualität, Beliebtheit und Mutterwitz in sich vereinen, vor allem aber Humor und Menschlichkeit im Amt bewiesen haben“ [11] . Aha, jetzt wissen wir Bescheid, warum unsere Außenministerin so beliebt ist. Oder war die Ehrung einfach fällig – man hilft sich im politischen Geschäft eben gegenseitig. Und wen interessiert schon des „Volkes Stimme“? Die Presse berichtete linientreu über die Preisverleihung, zumal Kritik leicht als Beleidigung aufgefasst werden könnte, denn der § 188 StGB schützt unsere Politiker vor unwürdigen Angriffen des „gemeinen Volkes“ [12] . Früher war der Karneval die Möglichkeit des Volkes, gegen „die da oben“ loszulegen. Heute ist der Fasching zur Selbstbeweihräucherungsveranstaltung verkommen. Wofür soll der ukrainische Präsident Selenskyi eigentlich im Mai 2023 den Karlspreis bekommen? [13] Während die Presse brav und bieder hierüber vorab informiert, übt zumindest schon mal Sahra Wagenknecht Kritik [14] . Die Stadt Aachen, in der die beiden Auszeichnungen vergeben werden, scheint ein gutes Pflaster für Ehrungen dieser Art zu sein. Wofür wurde Barak Obama der Friedensnobelpreis verliehen – und das noch am Beginn seiner Amtszeit? Er wusste es selbst nicht genau, für was er diesen Preis erhalten hatte und gab freimütig zu, dass er diesen Preis nicht verdient habe [15] . Wie viel sind diese Auszeichnungen dann noch eigentlich wert, wenn sie auf diese Weise leichtfertig vergeben werden? Oder steckt hinter diesen Auszeichnungen ein nicht frei ausgesprochenes politisches Kalkül? Es könnte lauten: Wir müssen diese hohen Herren und Damen des politischen öffentlichen Lebens ehren, damit sie gütlich gestimmt werden, damit sie nicht verärgert werden und uns dann in Ruhe lassen, uns wohler gesonnen sind und besser behandeln. Kann dieses Kalkül aufgehen? Bei Obama ist es schon mal sicher gescheitert, denn er hatte die USA in eine Reihe von – so nicht offiziell genannt – Kriege geführt und den Tod vieler Menschen verschuldet. Selenskyi ist gerade dabei, die Männer seines Landes in einem sinnlosen Krieg tausendfach zu opfern, während er selbst in einem sicheren Bunker sitzt [16] . Wo hat er sich um die europäische Einigung verdient gemacht? Dies gilt zumindest als Grund für diese Ehrung [17] . Zumindest gilt es wohl für Deutschland die Linientreue gegenüber den mächtigen USA zu halten, die immer noch bereit ist, den Krieg zu unterstützen; der Karlspreis könnte aus dem politischen Kalkül verliehen werden, die „Bündnistreue“ durch diese Auszeichnung zu bekräftigen .
Die Ehrung von Personen ist zu einem politischen Geschäft verkommen, dessen Kalkül darin besteht, Personen an das herrschende politisch-gesellschaftliche System zu binden, ihm treu zu dienen. Es schützt diejenigen, die politisch konform agieren und von und für dieses System arbeiten. Die öffentliche Ehrung entspringt einem übertriebenen „Selbstbeweihräucherungsstreben“ des Menschen. Es pervertiert sich dadurch selbst. Ich könnte getrost auf eine Auszeichnung verzichten und ich glaube, die meisten rechtschaffenden Menschen auch.
© beim Verfasser
[3] https://www.tagesspiegel.de/berlin/drei-polizisten-verhindern-sturm-auf-den-reichstag-6069181.html
[4] Die Polizei hat in der Corona-Zeit mehr als einmal „Systemtreue“ bewiesen und sich deutlich als Verteidiger des herrschenden politischen Systems gezeigt und Menschen, die gegen Corona-Maßnahmen protestiert haben, wie „Staatsfeinde“ behandelt. Les Fritz meinte zu den Vorfällen vor dem Reichstag hierzu passend: „ Das sieht verdächtig nach "Untergang" aus, wenn jetzt schon wieder Orden an linientreue Kader vergeben werden. Demnächst auch wieder an die "Kampfgruppen der Arbeiterklasse" (Antifa) ......“ https://twitter.com/BILD/status/1300369300130332673
[6] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/hoechster-orden-bundespraesident-steinmeier-ehrt-merkel-als-beispiellose-politikerin/29098976.html
[7] https://www.mdr.de/geschichte/ddr/politik-gesellschaft/auszeichnungen-medaillen-orden-abzeichen-100.html
[8] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/hoechster-orden-bundespraesident-steinmeier-ehrt-merkel-als-beispiellose-politikerin/29098976.html
[10] https://www.mdr.de/geschichte/ddr/politik-gesellschaft/auszeichnungen-medaillen-orden-abzeichen-100.html
[13] https://www.aachener-zeitung.de/lokales/aachen/aachen-bereitet-sich-nun-konkret-auf-selenskyj-besuch-am-14-mai-vor_aid-89633081
[14] https://www.welt.de/politik/deutschland/video245167714/Ukraine-Krieg-Wagenknecht-kritisiert-Verleihung-von-Karlspreis-an-Selenskyj.html
[15] https://www.focus.de/politik/ausland/ich-habe-den-preis-nicht-verdient-barack-obama_id_1846907.html









