Lieber "alterszornig" als "altersmild"?
Zornige alte, weiße Männer - konformistische Mitläufer
Manchmal ist zu hören oder zu lesen, dass Menschen im Alter „altersmilde“ werden. Diese Milde wird mit der zunehmenden Gelassenheit erklärt, mit Widersprüchen, Ungerechtigkeiten und anderen Unannehmlichkeiten des Lebens aufgrund zunehmender Toleranz besser fertig zu werden. Entweder ist das ein allgemeiner Irrtum oder ich bin anormal, denn mit zunehmenden Alter verspüre ich hingegen einen zunehmenden Zorn im Hinblick auf Missstände in unserer Welt, auf verantwortliche Politiker, die ihre Macht missbrauchen, auf gleichgültige Bürger, die alles klaglos hinnehmen und im Hinblick auf viele Ungerechtigkeiten und die Arroganz vieler medienversessener Menschen. Woher kommt das?
- Rumination und Zorn: Das Wiederkäuen ist ein Verdauungsart von Paarhufern [1] , also z. B. Rindern, die mit einem mehrteiligen Magen ausgestattet sind und das einmal heruntergeschluckte Gras, noch einmal durchzukauen, damit es besser verdaut werden kann. Dazu muss der Speisebrei vorher noch einmal hochgewürgt werden. Psychologen haben diesen Begriff übernommen, der für das deutsche Grübeln steht, womit das immer wieder hervorholen alter Erinnerungen gemeint ist, sich also mit dem zu beschäftigen, was alles schief gelaufen ist. Dabei verschlechtert sich die Stimmung aufgrund der wieder hervorgeholten Erinnerungen an vergangene Missgeschicke und Schicksalsschläge, die als Ungerechtigkeiten oder Niederlagen interpretiert werden [2] . Eine Unterart ist das „ revenchful Rumination “, also das sich rächen an denjenigen, die wirklich oder vermeintlich an den Schicksalsschlägen schuld sind. Hierbei konnte festgestellt werden, dass mit zunehmenden Alter diese Form des sich „ rächenden Wiederkäuens “ nicht abnimmt, also die Menschen tatsächlich nicht altersmilde werden [3] . Diese retrospektive Art des Umgangs mit Ungereimtheiten des Lebens ist zu unterscheiden vom Zorn , der als negative Emotion eher auf die gegenwärtig erlebten Ungerechtigkeiten und Normverletzungen gerichtet ist [4] . Beide Umgangsweisen haben auch den Unterschied, dass das Grübeln sich mit eigenen Schicksalsschlägen beschäftigt, während der Zorn eher auf die „böse Welt“ gerichtet ist, die als ungerecht empfunden wird. Die milde Form des Zorns ist die Empörung, bei der allein der „kurze Aufschrei“ über alle möglichen Geschehnisse in der Welt, die aus eigenen Augen Normverletzungen darstellen, die nicht unbedingt zum eigenen Nachteil gereichen, zu keiner weiteren Aktion führt. Dahingegen ist der Zorn als ein mit einer intellektuellen Note begleitetes Gefühl auf eine Aktion in die Außenwelt gerichtet, etwas zu unternehmen, um gegen die Ungerechtigkeiten vorzugehen. Die Art und Weise, wie dieser Zorn verarbeitet wird, ist unterschiedlich. Die einen gehen auf die Straße und demonstrieren, skandieren ihren Zorn in die Welt hinaus oder die anderen versuchen ihren Zorn gedanklich zu formulieren, um ihn irgendwie in die Außenwelt zu transportieren in der Hoffnung, dass dies dann jemand liest, sich damit einverstanden erklärt oder dies sogar zu dem führt, was die Hoffnung des Zornigen ist: das Abstellen des Unrechts, die Verbesserung von Lebenssituationen, das Beseitigen von Missständen aller Art.
- Zornige alte, weiß(s)e Männer: Ich glaube, dass es so etwas wie einen Zorn der alten weiß(s)en Männer gibt, die ihr Leben weitgehend gelebt und deshalb nichts mehr zu befürchten haben als den Tod, deren berufliche Karriere hinter ihnen liegt und deshalb auf nichts und niemand mehr Rücksicht nehmen müssen. Dieser alte, weiße Mann, der mit Zorn in unserer Welt seine Artikel und Bücher schreibt, der in Interviews „kein Blatt vor den Mund“ nimmt und sagt, was er denkt, ist ein Ärgernis für diejenigen, die auf der anderen Seit stehen: Neu-etablierte Emporkömmlinge, die nicht viel geleistet haben, außer auf den Bemühungen dieser alten, weiß(s)en Männer ihren Wohlstand aufzubauen. Prototypen der alten weiß(s)en Männer sind z. B. Peter Hahne [5] (Ex-ZDF-Moderator, sein Protest richtet sich v.a. gegen die Verunglimpfung des echten Christentums durch die ev. Kirche selbst oder durch linke Politiker), Fritz Vahrenholt [6] (sein Protest richtet sich gegen die einseitige Darstellung des so genannten menschengemachten Klimawandels und gegen die falsche Energiepolitik), Thilo Sarrazin [7] (sein Augenmerk ist vor allem auf die falsche Migrationspolitik gerichtet: „Deutschland schafft sich ab“) und Norbert Bolz [8] (emeritierter Medien-Professor, dessen Protest sich gegen die links-grüne mediale Schieflage richtet). Norbert Bolz hat in seinem in diesem Jahr erschienen Buch „Der alte, weiße Mann. Sündenbock der Nation“ herausgearbeitet, dass hier eine Schlacht geführt wird gegen alles, was unsere westliche Kultur ausgezeichnet hat: konservatives Denken, das auf Erfahrung und Tradition beruht (alt), Rationalität und technische Errungenschaften (weiß) und Mut zum Risiko und Durchsetzungsfähigkeit (männlich) [9] . Alle diesen weiß(s)en Männer verbindet die auf eigene Überzeugungen beruhende Standhaftigkeit und deshalb mangelnde Geschmeidigkeit im Umgang mit Mainstream-Medien und dem links-grünen Zeitgeist.
- Konforme Mitmacher : Nun will ich meinen hauptsächlichen „Aufreger“ benennen, der am meisten meinen Zorn erregt: Konformität. Ich glaube, dass ich schon immer ein Nonkonformist war, der jede Art der Uniformierung gehasst hat. Dies hat sich, je älter ich wurde, nur noch verstärkt. Jede Anpassung an die Mehrheitsmeinung, um nicht unangenehm aufzufallen, von möglichst vielen gemocht zu werden, nicht aus Gemeinschaften herauszufallen oder herausgestoßen zu werden, war und ist mir schon immer ein Ärgernis. Die Tendenz zur Konformität, zur einseitigen, kritiklosen Anpassung hat in den letzten Jahren (vielleicht seit der Amtszeit von Angela Merkel) zugenommen und führt zur Ausgrenzung von Menschen, die anderer Meinung sind. Die Konformität mit den gängigen Denk-, Sprach- und Verhaltensmustern hat etwas Stereotypes an sich, das dem Konformisten selbst kaum auffällt. Er sieht sich selbst dabei noch als ein autonom agierendes Wesen. Wer mit dem jetzigen Zeitgeist mitgeht, hat gute Aufstiegschancen, weil er dann durch diejenigen protegiert wird, die es bereits geschafft haben, „nach oben zu kommen“ bzw. die wichtigen Schaltstellen in Politik, Verwaltung, Justiz, Wirtschaft oder Wissenschaft zu besetzen. Die konformen Mitmacher sind das „Fleisch“ einer „von oben“ gesteuerten Oligarchie, in der eigentlich nur eine kleine Gruppe von Personen, ausgestattet mit Macht und Vermögen, die Leitlinien bestimmt, in welche Richtung eine Gesellschaft sich entwickeln soll. Diese so genannte „Elite“ hat es geschafft, diejenigen auf ihre Seite zu ziehen, die zu dumm sind, das böse Spiel zu durchschauen. Hierbei spielt es eine große Rolle, dass diejenigen, welche die Scene beherrschen, über die so genannten „Massenmedien“ verfügen oder sie durch Geldgaben in ihrem Sinne beeinflussen, um dadurch die „Bevölkerungsmasse“ für ihre Ziele zu gewinnen. Wie dies funktioniert, haben wir in der Corona-Krise gesehen oder aber auch in der Klimawandel-Debatte: Es wird immer jeweils nur ein Narrativ nach vorne gepusht, alles andere wird unterdrückt, was sich dem widersetzen will. In beiden Fällen werden konforme Mitmacher gebraucht, die sich auch noch für die Ziele dieser „Elite“ instrumentalisieren lassen – es aber selbst nicht merken, dass sie eigentlich nur „nützliche Idioten“ sind. Bei diesen angepassten Mitläufern oder systemkonformen Mitmachern gibt es zwei Gruppen, die zu unterscheiden sind: Es gibt einmal diejenigen, die tatsächlich das glauben, was ihnen von den Massenmedien erzählt wird, die den Anweisungen von Arbeitgeberseite im vollen Umfang Folge leisten – und das mit Begeisterung, weil sie meinen, dass sie einer „guten Sache“ dienen. Es gibt aber auch die anderen, die es durchschauen, aber trotzdem mitmachen. Die folgenden Ausreden der letzten Gruppe lasse ich nicht mehr gelten:
- „Ich habe doch Frau und Kinder“ : Diese Begründung ist mir öfter zu Ohren gekommen und ich habe sie auch gelesen. Ich lasse dieses Argument nicht gelten, denn auch diejenigen, die durch die Konformität geschädigtwerden – man denke etwa an den Einsatz von Polizei und Ordnungsbehörden in Corona-Zeiten, als Hausdurchsuchungen bei Kritikern, willkürliche Inhaftierungen, hohe Geldbußen oder der Verlust des Arbeitsplatzes an der Tagesordnung waren - haben Familie.
- „Wenn ich nicht mitmache, verliere ich meinen Job“ : Mit dem Argument kann auch der Henker seine Arbeit rechtfertigen. Der i. w. S. korrupte Mensch, der um des Arbeitsplatzes willen alles mitmacht, selbst wenn er dabei anderen Menschen schadet, ist mir im höchsten Maße unsympathisch. Diejenigen, die ihren Job deswegen behalten, weil sie sich dem System anpassen, sind als „Systemler“, Mitläufer, Arschkriecher, „Einschleimer“ und andere unangenehme Typen wirklich wahre Nervensägen [10] .
- „Ich habe doch noch mein Haus abzubezahlen“ : Wer sich erpressbar macht, wird letztendlich alles verlieren, vor allem seine Würde und Selbstachtung. Man kann dem Teufel seine Seele verkaufen, muss aber dafür am Ende einen hohen Preis bezahlen. Was wiegt dann schon ein Haus, das kein Mensch nach seinem Tod behalten kann? Jesus hatte seinen Jüngern gesagt, dass ihre wirkliche Nachfolge bedeuten könne, alles zu verlieren, aber man dafür die Seele retten könne, was mehr wert ist als der ganze Besitz (Matthäus 16,24-26) [11] . Wer sich erpressbar macht, darf sich nicht beklagen, auch erpresst zu werden. Da die Angepassten keinen Glauben an eine unsterbliche Seele zu haben scheinen, werden sie auch zu seelenlosen Marionetten ihrer eigenen Sehnsüchte nach einer scheinbaren Sicherheit durch Geld, Besitz und andere Reichtümer in einer materiellen Welt.
- „Wenn ich es nicht mache, macht es jemand anderes“ : Die Systemtreue kann so weit gehen, dass der auf Konformität getrimmte Angepasste nicht seine Rolle in dem System reflektiert und vor allem nicht überlegt, ob diese Rolle auch mit sich selbst in Einklang steht. Er geht mit dem System so weit konform, dass er sich selbst bereits als eine nicht durch Selbstbestimmung definierte Person wahrnimmt, die lückenlos durch eine andere ersetzt werden kann.
- „Es machen doch alle mit“ : Das ist wohl das schwächste Argument, das ein Ärgernis höchsten Maßes darstellt. Der Grund ist, dass es falsch ist, denn es machen eben nicht alle mit. Es gibt immer noch Menschen, die den Mut haben, gegen den Strom zu schwimmen. Es ist freilich bequemer und leichter, in dem breiten Strom zu schwimmen, den alle benutzen. Aber welche Art von Persönlichkeiten kommen dabei heraus: mutlose Duckmäuser, charakterlose Schwächlinge, rückgratlose Mitmacher. Wer so gerne sein will, soll sich nicht aufhalten lassen.
- Junge, dumme, systemkonforme Frauen: Mag sein, dass es chauvinistisch klingt, aber ich kann die typischen modernen, „mediengeilen“ jungen Frauen nicht ausstehen, die nichts gelernt, geschweige denn gearbeitet haben, und trotzdem mit ihrer „großen Klappe“ nach oben gespült werden und damit durchkommen. Sie sind das krasse Gegenteil der „alten, weiß(s)en Männer“, die etwas geleistet haben und auf deren Bemühungen diese Frauen ihren Wohlstand aufbauen. Sie glauben die „Weisheit mit Löffeln gefressen“ zu haben und bevölkern mit ihrer penetranten Art die Mainstreammedien, die leider auch mitmachen und ihnen eine Bühne bereiten. Sie wollen diejenigen sein, die sie eigentlich ablehnen, nämlich Männer, das nachahmen, was diese ihnen vorgelebt haben: Karriere machen. Sie kommen aufgrund einer „Frauenquote“ in Positionen, die sie im freien Wettbewerb nicht erreicht hätten, und sind auch noch stolz darauf. Sie behaupten gerne, sich „emanzipieren“ zu wollen. Auf keinen Fall wollen sie die Wege ihrer Mütter und Großmütter gehen, um sich in den Dienst der verhassten Männer zu stellen, Kinder, wenn sie welche haben, lassen sie lieber von anderen erziehen. Sie begegnen uns mit Vorliebe in Talkshows, in denen sie glauben, mit ihrer privaten Philosophie ein Millionenpublikum beglücken zu können. Sie machen gerne Karriere in den links-grünen Parteien und haben sich dort „hochgedient“, indem sie die Parolen nachplappern, die gerade gefragt sind und die die Erwartungen der Parteigenossen befriedigen. Sie sind stets „woke“ [12] und wollen mit allem Traditionellen nichts zu tun haben, weil sie sich gerne im Wasser des links-grünen Mainstreams aufhalten, um nach oben zu kommen. Wenn es zu der Karriere in dem links-grünen Parteienspektrum nicht reicht, sind sie aber als „Klimakleber“ unterwegs, demonstrieren für den Klimaschutz, blockieren Straßen, auf denen Menschen unterwegs sind, die wirklich noch arbeiten. Sie wollen sich stets medienwirksam in Szene setzen und nehmen manche Beschwernisse dafür in Kauf. Sie sind aber nicht in der Kranken- oder Altenpflege, nicht als Verkäuferin oder als Sekretärin eines Betriebes zu finden. Ihr Selbstverständnis von Arbeit ist nicht das Dienen, sondern das Herrschen. Macht auszuüben, anderen also den eigenen Willen aufzuzwingen, ist ihr Begehr. Haben sie einen produktiven Beitrag geleistet für andere? Das käme gar nicht in ihren Sinn, weil dies nicht auf ihrer Agenda steht. Die Dummheit kann durch eine formal gesehen gute Bildung kaschiert sein, sie sind aber Blindgänger in Sachen Weitblick, wirkliche Sachkenntnisse, über das worüber sie reden und Empathie. Wenn sie „in die Jahre kommen“ werden sie zu wahren „Schreckschrauben“ [13] , gehen als „Omas gegen rechts“ [14] auf die Straße und als Wohlstandsfrauen etablierter Männer – wenn sie denn geheiratet haben – engagieren sie sich dann in der Flüchtlingshilfe und lassen sich Orden für ihre „soziales Engagement“ für geflüchtete Migranten umhängen. Sie sind typische Vertreter des Gutmenschentums [15] , das nur fordern, aber von sich selbst nichts abverlangt. Der Zorn, der mir hochkommt, bezieht sich auf die ausgeprägte Egozentrik, die sich hier offenbart, aber nicht als solche erkannt wird, denn Selbstkritik ist diesen Frauen ein Fremdwort. Ihre Erhabenheit ist grenzenlos und grenzt an narzisstische Selbstverliebtheit. Ihr Selbstverständnis ist, dass nichts für sie gut genug sein kann, weil sie sich für unersetzbar und wertvoll halten. Der krasse Gegensatz zwischen ihrer Anspruchshaltung, die von einer maßlosen Selbstüberschätzung geprägt ist, und dem was sie wirklich für andere leisten, ist der Grund meines Zorns.
- Zorn als Motor: Der Zorn ist der Motor für Veränderung, weil er im Unterschied zur Wut, die eher ein Affekt ist, der unreflektiert („blinde Wut“), blindwütig oft nur destruktiv wirkt, eine intellektuelle Note hat. Der Zorn ist konstruktiv, weil er auf Überlegungen basiert und auf einer Grenzüberschreitung eigener Normvorstellungen, die man für sich selbst als wichtig definiert hat. Zorn bringt etwas in Bewegung, und zwar zielgerichtet auf eine Verbesserung hinausgehend. Deshalb ist Zorn eine wichtige Emotion im demokratischen Diskurs, der auf Nonkonformität gerichtet ist und deshalb die Voraussetzung für eine wirkliche Emanzipation darstellt, sich nämlich von der Bevormundung durch Autoritäten, Gruppen oder das System schlechthin zu befreien.
Ich bin lieber „alterszornig“ als „altersmilde“ , allerdings nicht generell , denn das wäre über das Ziel hinausgeschossen, das da heißen soll: Missstände benennen, keine Scheu haben, gegen den Strom zu schwimmen, aber milde zu denjenigen zu sein, die Hilfe brauchen, weil sie aufgrund der ausufernden Konformität unter die Räder kommen.
© beim Verfasser
[4] Philipp Lersch: Aufbau der Person, 1970, 11. Auflage, S.243, S. 274
[9] https://www.buecher.de/shop/geschichte--politik/der-alte-weisse-mann-ebook-epub/bolz-norbert/products_products/detail/prod_id/67426610/
[11] Da sprach Jesus zu seinen Jüngern: Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir. 25 Denn wer sein Leben erhalten will, der wird's verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird's finden. 26 Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme Schaden an seiner Seele? https://bibeltext.com/matthew/16-24.htm









